Anleitung

Mandantenübernahme und Positionswechsel

Wenn Sie sich beruflich verändern und Ihre Mandate in eine neue Position überführen möchten, sind einige wichtige Schritte zu beachten. Die nachstehenden Ausführungen sind allgemeiner Natur und ersetzen keine einzelfallbezogene Rechtsberatung. Daher kann keine Haftung übernommen werden.

Mandatsüberleitung

Sie möchten Mandate aus Ihrer alten in Ihre neue Tätigkeit übernehmen?

1. Prüfung der Vertragslage bei Mandantenüberführung

Zu prüfen ist, ob dies gegen die geschlossenen Verträge mit Ihrem alten Arbeitgeber verstößt. Viele der Übernahme entgegenstehende Klauseln sind angreifbar.

2. Rechtliche Bewertung Mandantenüberführung

a) Klauseln und rechtliche Einschätzung

Es gilt zu klären, welche Klauseln in den Verträgen maßgeblich sind.

Zu unterscheiden sind Mandantenschutzklauseln und Mandantenübernahmeklauseln. Erstere schützen den Arbeitgeber vor dem Verlust von Mandanten, zweitere regeln eine Entschädigung für die Übernahme. Letztere sind nur an den Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) zu messen und entschädigungsmöglich, wenn sie dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Arbeitgeberinteresses dienen und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren (BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433 (435)). Die meisten Klauseln in der Praxis werden als Mandantenschutzklauseln bezeichnet, sind aber Mandantenübernahmeklauseln. Die Intransparenz bzw. der überraschende Charakter von allgemeinen Geschäftsbedingungen lässt sich auch mit irreführenden Überschriften begründen (BGH, NJW 1977, 195) – also lassen sich diese Klauseln oft allein wegen der falschen Bezeichnung angreifen.

b) Bedingungen der Mandantenübernahmeklauseln

Weiter sind die genauen Bedingungen der Mandantenübernahmeklausel zu untersuchen, um ihre Wirksamkeit zu beurteilen.

Eine so genannte Mandantenübernahmeklausel, die es einer Steuerassistentin für die Zeit nach ihrem Ausscheiden zwar erlaubt, Mandanten ihres früheren Arbeitgebers zu übernehmen, sie aber gleichzeitig verpflichtet, einen angemessenen Anteil des Umsatzes mit diesen Mandanten an ihren früheren Arbeitgeber als Entschädigung abzuführen, ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig; sie darf jedoch einen Bindungszeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung einer Steuerassistentin, im Falle des Ausscheidens für fünf Jahre 20% des Jahresumsatzes mit solchen Mandanten an ihren ehemaligen Arbeitgeber als Entschädigung abzuführen, die sie von diesem übernommen hat, stellt als verdeckte Mandantenschutzklausel eine Umgehung im Sinne von § 75d S. 2 HGB dar. Der ehemalige Arbeitgeber kann deshalb aus einer solchen Vereinbarung keine Ansprüche herleiten (BAG, Urteil vom 7. 8. 2002 – 10 AZR 586/01, NZA 2002, 1282). In der Literatur werden höchstens 25% noch als zulässig betrachtet (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 2006, Rn. 173; BeckOK Arbeitsrecht, Stand: 01.03.2023, § 74 HGB Rn. 15-17).

c) Mandantenübernahmeklausel in Bezug auf die Tätigkeit

Eine Mandantenübernahmeklausel sollte sich nur auf eine nachfolgende selbstständige Tätigkeit und nicht auf eine zukünftige abhängige Beschäftigung des Arbeitnehmers bei einem Dritten erstrecken. Derartige Mandantenübernahmeklauseln wären – soweit unter Umgehung der §§ 74 ff. HGB entschädigungslos vereinbart – unzulässig und als verdeckte Mandantenschutzklauseln einzustufen (BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433 (436)). Hier könnte man je nach Situation darüber nachdenken, zunächst als Arbeitnehmer die neue Position zu beginnen, um der Mandantenübernahmeklausel zu entgehen und die Mandanten mitzunehmen. Denn dann wäre man nicht selbständig tätig und könnte sich auf die zitierte Gerichtsentscheidung berufen. Einen Wechsel in eine der Selbständigkeit gleiche Position als Gesellschafter und Geschäftsführer nach angemessener Zeitspanne könnte man bereits zum Wechselzeitpunkt vertraglich festhalten und so absichern.

 

3. Urteil Arbeitsgericht Leipzig (Urteil vom 5.1.2012 – 7 Ca 2046/11)

Bei der Klägerin in diesem Prozess handelte es sich um eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die Beklagte war dort Rechtsanwältin und Steuerberaterin und später Partnerin bei einer Wettbewerbsunternehmerin. Dies ist die streitige Mandantenübernahmeklausel:

„Wenn Sie sich nach Ihrem Ausscheiden in selbständiger oder unselbständiger Stellung in einem der vorgenannten Berufe betätigen und wenn Sie oder ein neuer Dienstgeber oder eine von Ihnen eingegangene Sozietät oder Gesellschaft Mandanten der Gesellschaft übernimmt, die im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft das laufende oder seit Jahren wiederkehrende Auftragsverhältnis mit der Gesellschaft gelöst oder nicht erneuert haben, sind Sie verpflichtet, auf die Dauer von zwei Jahren einen Betrag in Höhe von 20 % des aus solchen Aufträgen fälligen Honorars (ohne Umsatzsteuer) an die Gesellschaft abzuführen; bei unselbständiger Tätigkeit sind die jährlichen Abführungen auf die Hälfte Ihrer zuletzt von der Gesellschaft bezogenen jährlichen Tätigkeitsvergütung begrenzt.“

 

Das Arbeitsgericht Leipzig hielt die Formulierung in der Mandantenübernahmeklausel für so ungenau, dass es nicht mal den Klageantrag anerkannte: „Im Hinblick auf den Antrag zu 6. bleibt völlig unklar, was die Klägerin unter „Mandanten, welche ihr laufendes oder seit Jahren wiederkehrendes Auftragsverhältnis mit der Klägerin im Zusammenhang mit dem … Ausscheiden der Beklagten bei der Klägerin gelöst oder nicht erneuert haben“ verstehen will“ (Arbeitsgericht Leipzig Urteil vom 5.1.2012 – 7 Ca 2046/11 Seite 11).

„Noch unklarer ist die Formulierung „im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft“ – also das Abstellen auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses der Beklagten zur Klägerin. Ob hierunter lediglich ein zeitlicher Zusammenhang zu verstehen ist, etwa dergestalt, dass die Mandanten ihr Vertragsverhältnis zur Klägerin ebenso wie die Beklagte zum 31.03.2010 beendet haben müssen oder aber ein tatsächlicher Zusammenhang gemeint ist, welcher die Ursächlichkeit des Ausscheidens der Beklagten bei der Klägerin für die Kündigung der Mandantenverträge beinhaltet, ist in keiner Weise erkennbar, geschweige denn, ob im letzteren Fall die Beklagte auch den Mandantenwechsel schuldhaft – zumindest durch aktives Handeln – veranlasst haben muss“ (Arbeitsgericht Leipzig Urteil vom 5.1.2012 – 7 Ca 2046/11 Seite 14).

Einem Zusammenhang ist schwer nachzuspüren. Letztlich steht jedes übernommene Mandat im Zusammenhang mit dem Ausscheiden, denn ohne dieses Ausscheiden hätte der ehemalige Arbeitnehmer gar kein Mandat übernehmen können. Aber auch bei engerer Betrachtung bleibt der notwendige Kausalzusammenhang unklar. Genügt es beispielsweise, wenn der Mandant ein/zwei/drei Jahre nach dem Ausscheiden wechselt, weil er sich über den nachfolgenden Sachbearbeiter geärgert hat, er von dem inzwischen entstandenen guten Ruf des Ausgeschiedenen gehört hat und er sich daran erinnert hat, dass dieser früher „sein“ Sachbearbeiter war?

„Darüber hinaus ist die Klausel auch insoweit unwirksam, als sie die Beklagte völlig unabhängig davon, ob von dem erzielten Honorar vor oder nach der 20 %igen Abführung ein Gewinn verbleibt oder gar ein Verlust zu Buche steht, zur Zahlung von 20 % des Honorars verpflichtet“ (Arbeitsgericht Leipzig Urteil vom 5.1.2012 – 7 Ca 2046/11 Seite 15).

 

4. AGB-Kontrolle

Ein Aufsatz geht in diesem Zusammenhang teilweise noch weiter als das Urteil des Arbeitsgerichtes Leipzig. Die Frage nach der zulässigen Höhe eines Beteiligungssatzes sei entgegen verbreiteter Annahme nicht geklärt (Meier, NZA 2013, 253, 254).

Vorab ist lediglich der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass ehemalige Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne von § 310 III BGB sind, weshalb es auf die Mehrfachverwendung des Arbeitsvertrages (§ 305 I 1 BGB) nicht ankommt, es sei denn, die Klausel ist vom Arbeitnehmer eingeführt worden oder der Arbeitnehmer hat auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen können (§ 310 III Nr. 2 BGB), wobei dem Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass der Arbeitnehmer einen solchen Einfluss genommen hat (z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 9. 2012, 9 Sa 254/12, BeckRS 2012, 75943.)

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 I BGB) oder Sachverhalte nicht hinreichend bestimmt ausschließt, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen würden. In diesem Fall kommt eine Auslegung der Klausel im Sinne des Ausschlusses unangemessener Benachteiligungen einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion gleich und ist deshalb ebenfalls unzulässig, denn es ist das Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ist jedoch nicht zu erreichen, wenn jeder Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten könnte, was er zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise vereinbaren dürfte. Würde dies als zulässig angesehen, hätte das zur Folge, dass die Vertragspartner des Verwenders in der Vertragspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert würden. Erst in einem Prozess könnten sie dann den Umfang ihrer Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Das Transparenzgebot des § 307 II 2 BGB liefe weitgehend leer (Meier, NZA 2013, 253, 254).

Die Unwirksamkeit wegen wirtschaftlicher Unverhältnismäßigkeit gilt weiter auch, weil die Klausel bei bestimmten von ihr umschlossenen Sachverhalten zu einer 100 %igen Abführung aller Einnahmen führt. Das beruht auf der Einbeziehung von Sozietäten und sonstigen Gesellschaften. Scheiden beispielsweise fünf Mitglieder eines Teams aus, die zusammen ein Mandat betreuten, schließen sie sich zusammen und betreuen im Rahmen der neuen Gesellschaft denselben Mandanten, schuldet mangels angeordneter Gesamtschuldnerschaft jeder von ihnen 20 % der Honorareinnahmen aus dieser Mandantenbeziehung, alle zusammen also 100 % der Honorareinnahmen, eine offensichtlich unangemessene Folge. Da die Klausel insoweit keinerlei Einschränkungen enthalte, benachteilige sie die Beklagte unangemessen (Meier, NZA 2013, 253, 256).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Abführungspflicht unabhängig davon bestehen soll, wer den Anlass oder gar die Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat. Selbst wenn der Grund des Ausscheidens in einer freien Entscheidung des Arbeitgebers lag (Probezeitkündigung, Auslaufen einer Befristung, betriebsbedingte Kündigung) oder zwar der Arbeitnehmer kündigte aber auf Veranlassung des Arbeitgebers (unzumutbare Verhaltensweise, Vergütungsrückstände) ändert das nach dem Wortlaut der Klausel nichts an der Abführungspflicht, weshalb sie auch aus diesem Grund unwirksam ist (BAG, NZA 2006, 1042), denn sie kann dazu führen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beispielsweise mit einer Kündigung nicht nur um seine Gehaltseinkünfte bringt, sondern ihm ohne eigene Leistung auch noch zukünftige Einkünfte abweichend von Art. 12 GG beeinträchtigt.

Zwar genießt ein wissenschaftlicher Aufsatz erst einmal nicht die Autorität eines Urteiles, trotzdem sprechen die Argumente für sich.

Kanzlei Dr. Mesch
5.0
Basierend auf 14 Bewertungen
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Ann-Katrin J.Ann-Katrin J.
13:06 11 Apr 23
Ich kann mich den vorangegangenen positiven Bewertungen nur anschließen!Herr Dr. Mesch ist sehr professionell, hat ein großes Fachwissen und ist vor allem menschlich sehr zuvorkommend. Ich kann ihn uneingeschränkt weiter empfehlen.
R. N.R. N.
13:29 21 Jan 23
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Ulf L.Ulf L.
21:25 17 Jan 23
Herr Dr. Mesch hat mich wiederholt anwaltlich beraten. Dabei ging es um die Gestaltung verschiedener Verträge im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit. Er verfügt dabei nicht nur über eine ausgezeichnete Kompetenz, sondern ist auch überaus schnell, vertrauensvoll und zuverlässig. Bei Bedarf wird er meine erste Wahl für eine Vertretung vor Gericht sein. Ich kann ihn klar weiterempfehlen.
Wiebke MünchauWiebke Münchau
07:57 12 Jan 23
Dr. Gerrit Mesch hat uns schon zum 2. Mal erfolgreich vertreten. Professionelles Auftreten, sehr gut beraten und sehr engagiert. Man möchte ihn nicht als Gegner haben. Wer einen Anwalt im Landkreis Leer sucht, ist hier gut aufgehoben.
Stephan SchuchardtStephan Schuchardt
15:57 12 Oct 22
Danke für die sehr freundliche und hilfreiche Beratung 🙂
Marcel BierschenkMarcel Bierschenk
14:49 09 Sep 22
Herr Dr. Gerrit Mesch steht mit Rat und Tat zur Seite und weiß mit seiner Expertise in jeglicher Situation zu unterstützen. Seine freundliche und kompetente Art runden das Zusammenarbeiten ab! Ich kann Herrn Dr. Mesch nur wärmstens empfehlen.